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Abkürzungen in allen Branchen

Veröffentlicht am 26.4.24

Jeder und jede von uns ist im Laufe des Lebens mit kritischen Lebensereignissen konfrontiert. Der Übertritt von der Schule ins Berufsleben ist einer, später dann ein Stellenwechsel, egal ob gewollt oder aufgrund einer Kündigung. Übergänge werden diese Situationen in der Laufbahnberatung gern genannt. Besonders einschneidend wirken sich eine schwere Krankheit oder ein Unfall aus, welche unser Leben komplett auf den Kopf stellen. In meinem Beratungsalltag sind meine Beratungskolleg:innen und ich sehr oft mit solchen Lebensgeschichten konfrontiert. Wie meistere ich den Umgang mit kritischen Ereignissen in meinem Leben und welche Hilfestellungen kann eine Laufbahnberatung bieten?

Es ist ein kühler Donnerstag im April. Das Licht signalisiert Frühling, die Lufttemperatur erinnert eher noch an Winter. Als ich in Olten aus dem Zug steige, empfängt mich Sonnenschein. Nach Olten zurückzukehren ist für mich immer wieder speziell, da ich hier – an der Fachhochschule Nordwestschweiz – zwei Mal die Weichen meiner Laufbahn neu gestellt habe. Das erste Mal durch einen MAS in Banking & Finance, nachdem ich nach meinem naturwissenschaftlichen Studium bereits mehrere Jahre in der Finanzbranche gearbeitet hatte und mir noch die entsprechende wissenschaftliche Fundierung durch ein Studium wünschte. Und das zweite Mal, als ich vor fünf Jahren den Start meiner jetzige Karriere als Berufs-, Studien- und Laufbahnberaterin gewagt habe und an der FHNW mit dem MAS Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung eine tolle Ausbildung und viele liebe Berufskolleg:innen und Wissenschaftler:innen kennen und schätzen lernte.

Umorientierungen sind kritische Lebensereignisse, die Mut, Initiative, Selbstvertrauen und Offenheit erfordern. Sie verlangen uns viel ab, kosten Energie und funktionieren dann gut, wenn das Umfeld unterstützend ist und sich Arbeitgeber finden, die bereit sind, Neues zu wagen, dir eine Chance zu geben, dich fördern und unterstützen.

An diesem Donnerstag findet in Olten ein Netzwerktreffen von Professionals aus der Laufbahnberatung statt. Vertreter:innen aus der öffentlichen und privaten BSLB sind genauso präsent wie IV-Beratungspersonen, Vertreterinnen des auf Migrant:innen spezialisierten HEKS MosaiQ, ein Psychiater, der sich auf das Thema Arbeitsintegration/Wiedereingliederung nach psychischen Erkrankungen spezialisiert hat sowie eine Expertin, welche an einer Unfallklinik Menschen berät, die nach einem Unfall nicht mehr in ihren Beruf zurückkehren können.

Der Psychiater nennt red flags, auf die er achtet. Diese zeigen ihm an, wann eine psychiatrische Behandlung angebracht ist. Es sind Warnzeichen wie Konzentrationsstörungen, Rückzug, Vermeidungsverhalten, Blokaden, das Gefangensein im emotionalen Chaos oder auch körperliche Symptome wie Unruhe, Übelkeit und Schlafstörungen.

Ich denke an meine 18-jährige Kundin, welche mit schweren sozialen Ängsten kämpft, meinen 30-jährigen Kunden, der wegen seiner wiederkehrenden Depression gerade das dritte Studium abgebrochen hat und meinen 40-jährigen Kunden, der nach einer MS-Diagnose seinem geliebten Beruf nicht mehr gewachsen ist und sich gerade mit mir eine neue Perspektive aufbaut. Aber auch an eine junge Frau, welcher ich im Erstgespräch nahegelegt habe, sich psychologische Unterstützung zu holen, weil ich mehrere der obengenannten red flags geortet hatte.

Spannend finde ich die Einschätzung, dass auch aus psychiatrischer Sicht die Arbeit als zentrale und langfristige Ressource betrachtet wird. Arbeit gibt Tagesstruktur. Diese ist zentral für uns Menschen. Arbeit heisst aber auch Existenzsicherung, Sinngebung und gesellschaftliche Teilhabe. Falle ich durch Krankheit, Unfall, Migration oder Stellenverlust aus dem Arbeitsmarkt, befinde ich mich in einer sehr kritischen Situation, in der ich oft keine Selbstwirksamkeit mehr erlebe.

Psychische Probleme gehören in die Hände von Psychiater:innen und Psychotherapeut:innen, genauso wie physische Probleme in die Hände von Mediziner:innen gehören. Für mich als Laufbahnberaterin ist es entscheidend, dass ich die Warnzeichen erkenne, wenn Menschen zu mir in die Beratung kommen. Indem ich den Menschen gut zuhöre, sie nach ihrem Gesundheitszustand, ihrer Familie und dem Freundeskreis befrage und auch einschätze – durch Gespräche und Diagnostik – wie die Persönlichkeitsstruktur, die Selbstbehauptung und auch das Selbstvertrauen aussieht. Diese systemische Perspektive ist sehr mächtig. Denn einerseits deckt sie Schwachpunkte im System sehr rasch auf und andererseits kann durch das gezielte Angehen dieser Schwachpunkte gleich mit mehrfacher Schubkraft an einer Verbesserung der Situation gearbeitet werden.

Was kann ich selber tun als Betroffene:r? Wo soll ich mir Hilfe holen, von einem Arzt oder einer Psychotherapeutin? Wohin kann ich mich wenden mit meinen Fragen als Migrant:in? Das Triagieren und die Aktivierung des gesamten Netzwerkes ist entscheidend für das Gelingen einer Laufbahnberatung. Denn nur wenn ich in meiner Energie bin, ich achtsam mit meiner Gesundheit umgehe und ich auch auf die Unterstützung meines Umfeldes zählen kann, habe ich den Kopf frei, um einen Schritt weiterzugehen und aus der kritischen Lebenssituation eine konstruktive, nachhaltige und zufriedenstellende Lösung zu planen und auch umzusetzen.

Und es ist ein unglaublich tolles Gefühl, als Laufbahnberaterin Teil einer solchen Lösungsfindung sein zu dürfen. Egal ob der Schüler mir mit Begeisterung seinen Lehrvertrag zeigt, die Malerin mit Bandscheibenvorfall sich klar wird, dass da draussen noch so viele spannende Alternativen auf sie warten oder der depressionsgeplagte Student in therapeutisch guten Händen ist und sich nun für eine Berufslehre entschieden hat, die ihm Halt und Perpektive gibt. I ❤️ my job. 

 

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