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Abkürzungen in allen Branchen

Veröffentlicht am 17. Juni 2022

Während andere sich mit 14 für einen Beruf in der Wirtschaft, im Handwerk oder der Industrie entscheiden, haben Mittelschüler:innen die Wahl getroffen, für weitere 4-6 Jahre Schüler:in von Beruf zu sein. Manche von ihnen, wissen genau, was ihr Fernziel ist, weil sie sich als Jugendanwältin vor Gericht sehen oder als Handchirurg im Unfallspital. Bei vielen sind die Vorstellungen wage oder gar nicht vorhanden. Gerade dann gibt es oft Motivationsprobleme, die das Durchhalten erschweren. Aus diesem Grund unterstützen wir Lehrpersonen und Schüler:innen mit unserem Know-how und unseren Instrumenten in diesem Prozess.

Es ist ein Freitag im Juni. Meine Kollegin Rebecca und ich betreten ein Kurzzeitgymnasium im Kanton Aargau. Vorangegangen sind Gespräche mit dem Rektor sowie ein Kick-off mit der interessierten Lehrerschaft, um unser Laufbahn-Portfolio für Mittelschüler:innen vorzustellen. Der Rektor kommt freundlich winkend auf uns zu und zeigt uns den Seminarraum, im Reich der Physiker:innen. Bald treffen die Lehrpersonen ein.

Die muntere Runde besteht aus Klassenlehrpersonen, mit Fachbereichen von Bio, Chemie, Physik bis hin zu Französisch. Und alle möchten gerne ihre Schüler:innen unterstützen in der Studien- und Laufbahnplanung. Sie suchen nach einer Methodik, nach mehr Know-how, ja nach einer Toolbox, welche sie im Unterricht unterstützt. «Wir haben diese Klassenstunde und da haben wir noch Platz für Themen, da würde ich mit den Jugendlichen so gern über ihre Zukunft, aber auch ihre Werte, ihre Interessen und Ziele diskutieren. Denn dafür bleibt oft zuwenig Zeit im übrigen Unterricht», meldet sich eine Lehrerin zu Wort. Und ein Lehrer ergänzt: «Es gibt Schüler:innen, die sich nicht wohlfühlen hier am Gymi, ich möchte diese gern gezielt unterstützen.»

Wir steigen ein mit einem Selbstversuch. Alle Anwesenden haben die Standortbestimmung für Berufstätige ausgefüllt und eine entsprechende Reflexion dazu gemacht. Dabei haben sie analysiert, wie ihre eigene aktuelle Situation aussieht in Bezug auf den Berufsinhalt, den Arbeitgeber, Karriereerwartungen, Motivation aber auch in Bezug auf ihre Gesundheit und Kraftreserven, ihre Freizeit und ihre Persönlichkeit. Schnell entsteht ein intensiver Austausch, wie ich ihn immer wieder erlebe, wenn wir mit den Standortbestimmungen arbeiten. Es ist der idealer Startpunkt in die Diskussion um das aktuelle Befinden, weil es unglaublich rasch und zielgenau zeigt, wo der Handlungsbedarf liegt. «Phu, ich hab immer gedacht, ich müsste mich mal wieder weiterbilden, aber ich sehe grad im Bereich Stressmanagement habe ich ja ein viel grösseres Potenzial. Das macht auch total Sinn für mich und jetzt wo ich das so für mich erkannt habe, wird mir klar, dass ich genau dies jetzt anpacken möchte», kommentiert eine Lehrerin fasziniert.

Auch die Mittelschüler:innen starten mit einer Standortbestimmunge in ihren Laufbahnprozess. Und egal ob im 1-1 in der Beratung oder im Schulzimmer, die Reaktionen sind stets positiv und man merkt sehr schnell, dass die Jugendlichen, wenn man ihnen gezielt offene Fragen zur Situation stellt, scharfsinnig und schnell analysieren und ihre Schlüsse ziehen können. Und sich durch die Auslegeordnung klar darüber werden, wo sie ansetzen wollen.

Im Lehrer:innenworkshop erzähle ich von einer aktuellen Kund:in, nennen wir sie Elaina. Elaina hat noch 1 Jahr bis zur Matura vor sich, hat einen soliden Notenschnitt, merkt aber, dass ihre Talente «überall sonst, nur nicht bei den Schulfächern» liegen. Elaina erkennt bei der Standortbestimmung, für wie alternativlos sie das Unistudium hält. «Weisst du, ich bin die erste in meiner Familie, die das Gymi macht. Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt etwas ‘Richtiges’ machen muss, Anwältin oder Ärztin oder so.» Fachhochschulen oder alternative Bildungswege hat Elaina noch nicht angeschaut, ist aber, als ich ihr die Unterschiede aufzeige, sofort Feuer und Flamme. «Oh ein Praktikum nach der Schule ist Pflicht, das wäre ja eh das, was ich möchte, möglichst schnell praktisch arbeiten und vielleicht dann berufsbegleitend studieren.»

Am zweiten Halbtag des Lehrer:innenworkshops befassen wir uns mit dem Thema Ressourcen, Träumen, Werten und den konkreten Berufszielen. Jede:r Schüler:in schätzt selbst ein, welche seine/ihre Stärken sind und holt Fremdbilder ein. Die Wirkung dieser Übung auf das Selbstbewusstsein der Jugendlichen ist jedes Mal eindrücklich. Man hat von aussen das Gefühl, man könne die Persönlichkeitsentwicklung richtiggehend sehen. «Wow Anja, ich hab so tolle Fremdeinschätzungen erhalten, auch von Lehrpersonen. Die sehen, wo meine Talente liege, dass ich super kreativ bin und sind echt beeindruckt, dass ich nebenher noch eine asiatische Sprache lerne, einfach weil mich diese Kultur interessiert. Ich glaube jetzt selbst, dass ich da wirklich drauf aufbauen kann», sagt Elaina strahlend in unserem 4. Gespräch.

Die Lehrpersonen haben sich Gedanken gemacht über ihre eigenen Werte und Träume und werden von uns befähigt, diese Diskussion mit ihren Schüler:innen führen zu können. Was ist es, das für mich wichtig ist im Leben? Will ich meine Kreativität ausleben, Emotionen in Menschen wecken und auf der Bühne stehen wie Elaina? Oder hab ich komplett andere Ideale? Nach dieser Grundlagenarbeit tauchen wir dann in die Berufswelt ein und schauen uns an, welche Berufsziele Elaina und die Schüler:innen in den verschiedenen Klassen haben.

Berufe wie Ärztin oder Anwältin sucht man auf Elainas Berufshitparade vergeblich. Sie ist überzeugt, dass sie in den kreativen Bereich gehen möchte. Sie hat zwar noch Optionen, die mehr theoretischer Natur sind, wie Theaterwissenschaften, aber die Augen beginnen erst richtig zu leuchten, wie sie von den praktisch ausgerichteten Studiengängen mit möglichen Berufsziele im Bereich Filmemacherin oder Szenografin spricht.

Mit den Lehrpersonen gehe ich den Prozess der Reduktion durch. Wie kommen sie jetzt von einer Hitparade mit 14 Berufsziele auf eine recherchierbare Anzahl Berufe? Wie lässt sich das im Klassenverband durchziehen, was ich im 1-1 im Beratungszimmer mache? Wie führen sie ihre Schüler:innen auf den Weg der Selbsterkenntnis, an dessen Ziel sie selbstbewusst sagen können, wer sie sind, was sie können und was sie wollen? So dass jede:r von ihnen den (für ihn/sie!) richtigen Weg geht. Möglichst ohne Umwege, unnötige Abbrüche, frustrierende Erfahrungen, sondern mit einem klaren Ziel vor Augen. Als aktive Gestalter:innen ihrer Zukunft.

Hier erfährst du mehr zum Laufbahn-Portfolio für Mittelschülerinnen und zum Workshop für Lehrpersonen an Mittelschulen.

 

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